Deutsche Befindlichkeiten

MEIN FÜHRER; Unschön mit 23%!

Regisseur Dany Levy (Alles auf Zucker) bleibt thematisch den deutschen Befindlichkeiten treu, wechselt aber die Epoche. Deutschland, 25. Dezember 1944, Reichspropagandaminister Goebbels hat ein Problem: Das Land liegt in Schutt und Asche, die Alliierten rücken dem „tausendjährigen Reich“ immer weiter auf den Pelz, und das Volk ist längst zu zynischem Fatalismus übergegangen. Der Endsieg – eine Illusion. Ein Befreiungsschlag muss her, der Führer muss das Volk, muss den „Volkssturm“ mobilisieren. Doch der Führer selbst ist nur noch ein kauziger, bettnässender Schatten mit gebrochener Stimme. Kurzentschlossen lässt Goebbels den Schauspieler Adolf Grünbaum kommen, einen Juden.

Der wiederum muss erst aus dem KZ Sachsenhausen in die Reichskanzlei gebracht werden. Goebbels Idee: Grünbaum soll Hitler als „Personality-Coach“ helfen, wieder zu altem Glanz und alter Kraft zurückzukehren. Damit dieser in einer flammenden Neujahrsansprache den Volkssturm mobilisieren möge. Die Konfusion über diesen Plan ist auf beiden Seiten natürlich groß. Und auch der Zuschauer stutzt bestenfalls für einen Moment. Mutig kann man diesen Ansatz ohne weiteres nennen, ein Jude unterrichtet seinen Henker. Aber die Geschichte geht noch weiter, stellt sich doch heraus, dass Grünbaum Hitler bereits unterrichtet hat. "Das mit der Endlösung dürfen sie nicht so ernst nehmen", sagt Goebbels zu Grünbaum beim ersten Treffen. Und Hitler wird sich später verächtlich gegenüber Goebbels mit "Wollt ihr den totalen Krieg" selbst zitieren. Schwarzer Humor in Reinkultur. Davon gibt es noch ein paar weitere Szenen, grotesk mutet das teilweise an. Nur was soll das? Levy Relativierung und Revisionismus vorzuwerfen, wäre absurd.

Helge Schneider als Hitler, der hier durchaus an Charlie Chaplins "Großen Diktator" anknüpft. Beide machen aus der Person Hitler eine lächerliche Figur, die Spott erzeugt, doch immer auch ein Iota des Wahnsinns in sich trägt, die dem echten Hitler innegewohnt haben muss und dann doch eine schaurige Abscheu erzeugt.Und Ulrich Mühe - der Einzelkämpfer in einem Raum mit dem Dämon. Adolf Grünbaum hätte die Möglichkeit, seine Nähe auszunutzen und Hitler zu töten. Doch er entscheidet sich anders, beginnt ein waghalsiges Spiel mit viel Chuzpe und einer menge Glück. Mühe verleiht diesem Adolf Grünbaum Zerbrechlichkeit, die aber von einer großen Portion Mut und Würde getragen wird. Gute Miene zum bitterbösen Spiel, es braucht den Schalk im Nacken, um das durchzuhalten. Mühes Grünbaum hat hiervon reichlich.

Leise Zwischentöne sind es, die in Dany Levys Film die ganze Barbarei und den Wahnsinn dieses Regimes deutlich werden lassen. Oftmals sind es nur Halbsätze oder kurze Einstellungen. Damit schafft Levy - neben einer Komödie - ein Dokument, das mahnt und zum Nachdenken auffordert. In Zeiten eines wiedererstarkenden Rechtsextremismus in Deutschland ist dies nicht hoch genug zu schätzen. Allerdings gelingt es dieser Farce bei aller Überhöhung und Verhohnepipelung dann doch nicht, den Funken überspringen zu lassen. Seltsam teilnahmslos beobachtet man dieses Spektakel, erkennt die Absichten zwar - aber kann dem Ganzen doch nicht folgen. Zu platt wirkt das alles, zu seicht. Zu schwach, um eines der größten Ungeheuer der Deutschen Geschichte auch nur ansatzweise zu demaskieren. So bleibt MEIN FÜHRER eine Petitesse, ambitioniert zwar und gut gespielt, aber trotzdem ungenügend und ohne jeden Nachhall. Fatal.