Berlinale 2009: Flip-Kamera rulez the world

Die Pressekonferenzen der Berlinale kann man sich
seit letztem Jahr als Live-Stream auf der
Berlinale-Homepage ansehen. Aber nur, wenn die
Technik mitspielt. Ein Freund hatte heute morgen
genau damit ein Problem. Weshalb das letzte Drittel der Pressekonferenz der Berlinale-Jury schließlich auch noch - live - im Chat von facebook übertragen wurde.

Hier ist das Protokoll dazu.

Es sind anwesend: Die Jury-Präsidentin und Schauspielerin Tilda Swinton und ihre Juroren, die Regisseurin Isabel Coixet, die Regisseure Christoph Schlingensief und Wayne Wang , der Regisseur und Leiter des Filminstituts „Imagine“ in Burkina Faso, Gaston Kaboré, der Romanautor Henning Mankell und die filmbegeisterte Starköchin, Foodaktivistin und Autorin Alice Waters.

(....)

Tilda Swinton: (Reagiert bissig auf eine Frage eines Journalisten des Bayrischen Rundfunks, geht dann aber auf die Frage ein und begeistert sie sich über
die Filmländer, die wohl noch nie auf dem Festival waren.)

Ein neues Menü in dem wir Neues, Unbekanntes schmecken können. Wir werden Filme heraussuchen, die wir empfehlen möchten. Filme, die die Berlinale empfiehlt, das ist doch wichtig für einen Film.

# NDR-Kultur an Swinton: Gibt es EIN Deutsches
Kino, wie würden sie Deutsches Kino beschreiben?

Swinton: Das fragen sie mich in zehn Tagen nochmal.

# Journalistin der shanghai media group: Darf ich
chinesisch sprechen (an Wayne Wang.)

Berlinale: Nein, wir können nicht übersetzen.

Wang: Ich übersetze hinterher.

-es wird chinesisch gesprochen-

Wang: (schaut angestrengt - Lachen im Saal) Ohje, dass ist ne sehr lange Frage: Es geht um den einen chinesischen Film im Wettbewerb. Und chinesisches Kino.

Wang antwortet: Es ist einfach noch zu früh für diese Frage, wir sollen ja noch nicht über die Filme sprechen.

Anmerkung - Wang: Ich bin begeistert von den Fragen zur Globalisierung hier. Auch in den Filmen. (...) Ein Freund hat jetzt einen Film mit einer ganz neuen und billigen Kamera gedreht, die für knapp 100€ zu bekommen ist: Die Flip-Kamera. Da kann jetzt jeder Filme machen wie er möchte!

Und das Festival sollte eine Sektion für Filme machen, die von Menschen mit der Flip-Kamera gedreht wurden.

# Frage des RBB-kulturradios an Swinton/Mankell, nach dem Motto der Retrospektive 2009: Bigger Than Life.

Swinton: Das ist das Motto? Was machen wir dann hier? (sie schweigt dann)

Mankell rettet: Er spricht von einem Film, in dem er immer noch und ständig etwas Neues entdeckt, was er mitnehmen kann.

Swinton: Die Multiplizierung der Gedanken der Zuschauer durch Filme....diese Idee, bigger than life, das zerstört doch die Idee der Flip-Kamera – vom Filmemachen für jedermann - von eben. Das klingt so nach (Big-Business) - ich bin
entschieden dagegen.

Anmerkung - Swinton: Vor Tagen fragte mich ein Jounalist nach der Krise, der Finanzkrise. Ich dachte aber zuerst, er meint die Gaza-Krise, denn die interessiert mich viel mehr.

# spanische Journalistin: Obama und die Finanzkrise - wird sich das auf die Filme im nächsten Jahr auswirken?

Schweigen in der Jury - "An wen ist die Frage gerichtet?"

Mankell springt ein: Eine Frage an die Kuratoren des Festivals.

Und Schlingensief springt bei: Obama steht als Gott da, für was Neues, ne neue Sprache...von mir aus soll das klappen. (Zieht Linie zur Finanzkrise) und plötzlich ist es da! Das man erst zwei Wochen vorher mitbekommt, was da für ne Krise entsteht - das istnen Unding! Das die ewig tun können, unbemerkt!
Das ist jetzt die Zeit der Flip-Kamera und dem Gehen nach Afrika! Wir dürfen nicht warten bis die Regierung uns den Bus hinstellt - wir müssen selber handeln!
Mich interessieren die Filme, die uns wirklich filmsprachlich auch Mut machen - das ist Klasse!

# engl. Journalist: Gibt es eine künstlerische Demokratisierung des Filmemachens? (an Gaston Kaboré)

Gaston Kaboré: Ja, mein letzter Film war bspw. kostenlos auf
youtube zu sehen. Das ist toll! Jetzt gehts darum, dass die Menschen nicht nur sehen und nach 5 Minuten gehen....(und die Flip-Kamera...) Das Kino wird nie verschwinden, es ist wichtig. Aber es gibt jetzt etwas Neues, etwas Anderes.

Anmerkung - Alice Waters: Sie zieht Parallele zur Slow-Food-Bewegung. Und spricht über Zusammnkünfte von Aktivisten, Köchen, Bauern usw. in Italien: Sie berichtet von einer afrik. Teilnehmerin einer solchen Zusammkunft, die Hilfe
zur Selbsthilfe statt Nahrungsmittel für Afrika forderte.

Gaston Kaboré: Er beklagt die fehlenden Auswerutngsstruckturen für Filme in Afrika. In New York kann ich einen afrikanischen Film sehen. Aber
in Afrika selbst? Dabei ist es wichtig, dass die Menschen ihre eigenen Filme und sich und ihr Leben sehen können! Das ist für uns das schlimmste, dass unsere Filme in Afrika nicht zu sehen sind.

Anmerkung - Mankell: Wissen sie was das schlimmste in unserer Welt ist? Das wir uns mit überflüssigen Problemen beschäftigen! Probleme, die schon ewig gelöst wurden, aber immer noch aktuell sind, weil wir uns nicht drum kümmern. Massensterben, weil es den Pharmafirmen scheissegal ist, (...) Kinder die nicht lesen können - KUNST kann hier helfen und bewegen. Wir glauben, dass der Wandel zu vollbringen ist. Ein wichtiger Aspekt für mich ist, dass die Filme Hoffnung bringen und bewegen - das ist das, was ich hier für heute sagen wollte.

# indische Journalistin an Swinton: Spezielle Berlinale-Erfahrung?

Swinton: Mein erstes Mal in der Jury, da war global Warming noch kein Thema in Berlin, da war es kalt und es schneite. Man kam müde aus dem Hotel, ging in die Kälte und schlief im warmen Kino fast wieder ein. Das war so meine erste Erfahrung. Aber ich hab mittlerweile soviele Freunde hier...es wird dieses Jahr richtig schwierig, die alles zu sehe und alles mitzunehmen.

# deut. Journalist an Schlingensief: Wie beeinflusst sie ihre (weitreichende Praxis mit div.) Filmformaten und Formen von früher?

Schlingensief: Das war die Zeit der kulturellen Filmförderung, wo man Filme für wenige tausend Mark drehen konnte. Aber sowas gibts hier heute nicht mehr. (...) Wir müssen im Grunde die kulturelle Förderung aus Afrika zurück holen und auch hier wieder stattfinden lassen. (Er schimpft auf das deutsche Fördersystem, das nur noch Big-Business machen und am liebsten vorher wissen will, wie der Film hinterher aussieht.)

Er erzählt über eine junge, 16-jährige Regisseurin und ihren Film "Torpedo". Und den Blick, mit dem sie auf die Erwachsenen schaut, was ihn völlig begeistert hat. Und er fordert, endlich wieder kleines Kino in Deutschland, schräge Filme im Fernsehen - kurz: Schluss mit dem Einheitsbrei und Big-Business und mehr kleine, unabhängige Filme.

Anmerkung - Swinton: Ein Freund zählte, wie oft Fluch der Karibik in europäischen Städten im Schnitt gezeigt wurde - pro Tag: 56 Mal! Aber die kleinen, jungen Filme die sind auf Festivals verbannt und geraten dann ins Vergessen.....(Sie brichtet von dem Mini-Filmfestival, das sie in ihrem schottischen Heimatort gründete.) GRÜNDEN SIE FILMFESTIVALS IN IHREM ORT! ZEIGEN SIE FILME, IN KLEINEN LÄDEN USW. Damit unterstützen sie die Filmemacher und die Filmindustrie.


Ende der PK.


Anmerkung:
Die Flip-Kamera ist eine kleine mini-HD-Kamera mit eingebautem USB-Stick.
Sie ist im Internet ab 179$ bzw. etwa 140€ zu haben.
Machen Sie sich besser selbst ein Bild davon: theflip.com