Silberne Zungen

PROMISED LAND
Berlinale 2013_Wettbewerb (AK)

Gus van Sant und der Himmel - in jedem seiner Filme gibt es eine Einstellung, die nichts weiter als Himmel, blauen Himmel ins Bild nimmt. Am prominentesten kommt dies in ELEPHANT zur Geltung. Dort bildet Himmel die Folie, auf welcher der Vorspann abläuft. Und es ist gleichzeitig die einzige Sequenz, die dem Zuschauer einen Moment der Sicherheit bietet, bevor das Unsägliche seinen Lauf nimmt. Der Himmel ist die konkreteste Verbindung zwischen Gus van Sants früheren Werken und seinen jüngsten Arbeiten. Seit MILK dreht er sozusagen eine Liga weiter oben. Statt Independent-Kino gibt es herausgeputzte Hollywood-Ware. Nicht selten bleibt dabei seine zweifelsohne vorhandene filmische Virtuosität auf der Strecke. Seine Arbeiten präsentieren sich seither als makelloses, aber irgendwie totes Handwerk.


PROMISED LAND zeigt sich auf den ersten Blick ebenfalls als eine Hochglanz-Hollywoodproduktion. Die Klarheit der Bilder kann man mit filmischen Mitteln kaum noch toppen. Unwillkürlich drängt sich der Gedanke in den Kopf, dass selbst Film als Trägermedium der Bilder nie eine solche Reinheit erlangen konnte. Film war immer von einer anderen Textur, dementsprechend die Wiedergabe der Bilder verändert. Digitale Aufnahme und Wiedergabe lassen hier keinerlei Zweifel mehr aufscheinen. Clean as Clean can be. Gus van Sants PROMISED LAND ist eine aseptische Bilderwelt, Sauberkeit, die glasklare Reinheit, das zentrale Motiv. Es ist quasi die Religion dieses Films bzw. seiner Geschichte. Die Menschen sind zutiefst ehrliche, unverfälschte Charaktere in einer unberührten Farm-Idylle. Kleinstadt. Ein Sheriff. Eine Bar. Eine High-Shool. Ein Motel. Ehrlichkeit und Redlichkeit als Basis allen Handelns. Wie Parasiten wirken die beiden Mitarbeiter eines großen Gasförder-Konzerns, die hier neue Claims abstecken wollen.


"Fracking" - eine Gasfördermethode, deren Reputation nicht schlechter sein könnte. Gigantische Umweltschäden, verseuchte Landstriche, lebensgefährliches Trinkwasser und das bei äußerst kurzweiligem Profit. Trotzdem versuchen große Förderkonzerne die Technik zu forcieren, stoßen dabei aber inzwischen auf teils erbitterten Widerstand der Bevölkerungen. In den USA, wo die Unabhängigkeit von Rohstoff-Importen zur Staatsdoktrin erhoben wurde, tobt eine regelrechte Schlacht um diese Technik. Unter diesen Vorzeichen entwickelt Gus van Sant die Geschichte zwei Vertreter eines Großkonzerns namens "Global", die in einer fragilen Landwirtschaftsidylle Förderrechte bei den lokalen Bauern einholen sollen.

Matt Damon und Frances McDormand spielen dieses Team. Damons Charakter "Steve Butler", trägt hierbei seine Herkunft aus einer Bauernfamilie wie eine Monstranz vor sich her. Seine Herkunft ist rein, seine Absichten auch. Er möchte die Menschen, die in ihren unscheinbaren Wohnzimmern an noch unscheinbareren Couchtischen sitzen, vor dem Abgrund der Armut bewahren. Sie vor dem Schicksal beschützen, wie es seinen Eltern und Großeltern wiederfahren ist. Die Gasförderrechte als Schlüssel zur Zukunft. Eine gute Ausbildung der Kinder ist gesichert, die Farm vor dem Zugriff der Bank bewahrt. Goldene Worte. "Fracking" ist als Kinostoff reichlich unsexy. Darum wissend, entwickelt Gus van Sant  stattdessen eine Geschichte über das Reden. PROMISED LAND ist ein Film über das Reden miteinander, das Überreden, das Gewinnen von Sympathien durch gesprochenes Wort. Glaubwürdigkeit und Redlichkeit als Währung silberner Zungen.


Wo Steve seine Herkunft voranstellt und im festen Glauben, an das Gute in seiner Arbeit, von Tür zu Tür geht, beruft sich seine Kollegin Sue auf ihren Sohn. 12 Jahre alt, talentierter Baseball-Spieler in der Schulmannschaft. Für sie ist der Job bloß ein Job. Abends, im Motelzimmer spricht sie mit ihrem Sohn per Webcam. Was draußen passiert, was sie den ganzen Tag über erzählt hat, interessiert sie nicht. Hauptsache, die Verträge sind unterschrieben. Beide, Sue und Steve, wählen die Kinder als Zugang zu den Erwachsenen. Natürlich - denkt man sich. Kinder als Symbol der Unverfälschtheit. Die Verkörperung des Glaubens an die absolute Unbeflecktheit. Aus dem kaum greifbaren Thema Fracking wird Kinogold.

PROMISED LAND ist erschreckend linear erzählt. Einführung der Figuren, Entwicklung der Geschichte, Aufbau eines Kulminationspunktes und Herausforderung der Hauptfigur, kurze Katharsis, Finale, Happy End, Abspann. Verglichen mit Werken wie ELEPHANT, LAST DAYS oder PARANOID PARK, ist PROMISED LAND eine Beleidigung für van Sants bisheriges Oeuvre. Allerdings: Im Kontext der Entstehung dieses Projekts wird der Grund für die Eindimensionalität deutlich. Eine der beteiligten Produktionsfirmen ist die amerikanische PARTICIPANT Media. Dieses Medienhaus fungiert als eine Art modernes Aufklärungsunternehmen. Co-Produziert werden vor allem Kinofilme mit eindeutigen Botschaften. Für Klimaschutz, für Bürgerrechte, für Umweltschutz, für bessere Lebensmittel etc. pp. Die ganze Palette der heißen Diskussions-Themen der letzten zehn Jahre hat in Participant-Produktionen bereits stattgefunden. Herausragende Hollywood-Filme sind darunter: SYRIANA, GOOD NIGHT AND GOOD LUCK, FAIR GAME. Die Message muss beim Publikum ohne jeden Zweifel ankommen, Film als Vehikel. Film als Instrument. Gus van Sants PROMISED LAND entlarvt sich als ein Instrument im Kampf gegen das "Fracking". Nichts weiter.


PROMISED LAND
USA 2012
106 Minuten
DCP, Farbe
Regie: Gus van Sant
Buch: John Krasinski, Matt Damon
Vorlage: Dave Eggers
Kamera: Linus Sandgren
Schnitt: Billy Rich
Musik: Danny Elfman
Produzenten: Matt Damon, John Krasinski, Chris Moore, Gus van Sant
Darsteller: Matt Damon, John Krasinski, Frances McDormand, Rosemarie Dewitt
Kinostart: USA - 4. Januar 2013, DE - 13. Juni 2013
(c) Bildmaterial: Focus Features/Scott Green